Was die Kommunalaufsicht mit einem rechtswidrigen Pandemieausschuss zutun hat

Der Gemeinderat Waldbüttelbrunn hat am 25.01.2021 folgenden Beschluss gefasst:

Der Gemeinderat beschließt die Einrichtung eines Pandemie-Ausschusses mit acht Sitzen. Der Ausschuss erhält die Befugnis, alle Aufgaben des Gemeinderats nach § 2 der Geschäftsordnung zu übernehmen. Er kann ab dem 26. Januar 2021 einberufen werden und tagt maximal bis zum Ende des Katastrophenfalls, der durch die Bayer. Staatsregierung bestimmt wird. Nach Ende des Katastrophenfalls ist der Ausschuss wieder aufgelöst. Falls wieder ein Katastrophenfall ausgerufen wird, entscheidet der Gemeinderat erneut über die Einsetzung des Ausschusses.

Der Beschluss zielte darauf ab, während der Corona-Pandemie einen kleineren Ausschuss anstatt des ganzen Gemeinderates einzusetzen. Der Ausschuss sollte 8 Mitglieder haben; 4 von der CSU, 3 von der SPD und 1 von den Grünen (Zusammensetzung des ganzen Gemeinderates: 7 CSU, 6 SPD, 3 GRÜNE). Jede Fraktion benennt neben den Mitgliedern je eine Stellvertretung pro Mitglied. Eine Kopplung der Einberufung des Ausschusses an eine Inzidenz, beantragt war konkret die Inzidenz 100 im Landkreis Würzburg, wurde mit 9:8 Stimmen abgelehnt. Die Einsetzung des Ausschusses schließlich mit 11:6 Stimmen beschlossen. Meine Fraktion stimmte geschlossen dagegen, da wir eine Kopplung an eine Inzidenz wollten. Es ist aus unserer Sicht sehr problematisch, bei niedrigen Inzidenzen dauerhaft die Hälfte der GR-Mitglieder von allen wichtigen Beratungen auszuschließen, zumal zum Infektionsschutz mit der großen Sporthalle sowie einer möglichen FFP2-Maskenpflicht mildere Mittel zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wäre ein Mitglied unserer Fraktion für die Zeit des Ausschusses komplett von allen Sitzungen ausgeschlossen gewesen, da wir nur ein Mitglied und einen Stellvertreter benennen durften, unsere Fraktion aber aus drei Personen besteht. Es ist aus unserer Sicht politisch, ohne rechtliche Betrachtung des Sachverhalts gerechtfertigt, bei hohen Inzidenzen einen solchen Ausschuss einzusetzen, aber nicht dauerhaft und inzidenzunabhängig. Die politische Bewertung wird für das dann folgende Geschehen aber keine große Rolle spielen.

Vor und während der Sitzung haben wir angenommen, dass der o.g. Beschluss rechtskonform ist. Denn die Verwaltung schrieb in der Ladung folgendes:

Seitens des 1. Bürgermeisters kam die Anregung während des Katastrophenfalls einen Ausschuss zu bilden, der anstelle des Gemeinderats handelt. Hintergrund hierfür ist, bei steigenden Neuinfektionen und möglichen Krankheitsfällen handlungs- bzw. beschlussfähig zu sein. Der Ausschuss würde alle Aufgaben, für die der Gemeinderat gemäß § 2 der Geschäftsordnung zuständig ist, übernehmen. Den Ausschussvorsitz führt der 1. Bürgermeister.
Nach Rücksprache mit der Kommunalaufsicht ist dies rechtlich möglich. Da der Ausschuss nur übergangsweise bis zum Ende des Katastrophenfalls tagen soll, ist es nicht notwendig, diesen Ausschuss in die Geschäftsordnung mit aufzunehmen. Der Ausschuss darf über alle Tagesordnungspunkte beschließen, so z.B. auch über den Haushalt 2021.

In der Tat hat die Kommunalaufsicht die Verwaltung so wie dargestellt beraten. Wir haben der Kommunalaufsicht in diesem Punkt vertraut – ein Fehler, wie sich im Anschluss an die Sitzung herausstellte. Nach einer genauen Lektüre des Schreibens des Innenministeriums vom 10.12.2020, Art. 32 BayGO und eines entsprechenden juristischen Kommentars war klar: ein Ferienausschuss, dem der vom GR eingesetzte Pandemieausschuss entspricht, darf nach der derzeit (09.02.2021) gültigen Rechtslage nur maximal 6 Wochen am Stück eingesetzt werden. Auch muss im Beschluss der Zeitraum genau eingegrenzt sein.

Der Wortlaut des derzeit (09.02.2021) gültigen Art. 32 (4) BayGO lautet:

(4) 1Der Gemeinderat kann in der Geschäftsordnung eine Ferienzeit bis zu sechs Wochen bestimmen. 2Für die Dauer der Ferienzeit ist ein Ferienausschuß nach den für beschließende Ausschüsse geltenden Vorschriften zu bilden, der alle Aufgaben erledigt, für die sonst der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß zuständig ist; die Absätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden. 3Der Ferienausschuß kann jedoch keine Aufgaben erledigen, die dem Werkausschuß obliegen oder kraft Gesetzes von besonderen Ausschüssen wahrgenommen werden müssen oder nach der Geschäftsordnung nicht vom Ferienausschuß wahrgenommen werden dürfen.

Somit war der Beschluss aus unserer Sicht rechtswidrig und zwar in Gänze. Ein Anruf bei der Kommunalaufsicht ergab, dass man dort keinerlei stichhaltige Argumente für die bisher vertretene Rechtsauffassung hatte. Folgerichtig änderte die Kommunalaufsicht am 27.01.2021 ihre Auffassung und teilte nun schriftlich mit, dass der Pandemieausschuss nur sechs Wochen tagen könne. Der Pandemieausschuss der Gemeinde Waldbüttelbrunn ende somit nach eben jenen 6 Wochen.

Leider ließ die Kommunalaufsicht außer Acht, dass der Beschluss in Gänze rechtswidrig ist, da kein konkreter Zeitraum genannt wurde. Der Gemeinderat hat somit in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage entschieden und hätte auch einen ganz anderen sechswöchigen Zeitraum als den von der Kommunalaufsicht angenommenen Zeitraum ab dem 26.01.2021. Oder er hätte ihn möglicherweise auch gar nicht eingesetzt. Der Ausschuss kann somit unserer Ansicht nach aufgrund des o.g. Beschlusses gar nicht tagen. Sollte er dennoch einberufen werden, wären alle dort gefassten Beschlüsse rechtsfehlerhaft und damit nichtig. Eine erneute telefonische Anfrage bei der Rechtsaufsicht ergab, dass diese den Beschluss vor Beratung der Gemeinde am 27.01.2021 gar nicht eingehend geprüft hatte. Im Übrigen wurden wir um schriftliche Beschwerde gebeten.

Dies haben wir am 01.02.2021 getan. Am 09.02.2021 erhielten wir die Antwort, dass wir mit unserer Rechtsauffassung richtig liegen. Bis auf weiteres wird der Gemeinderat einberufen, nicht ein Pandemieausschuss. Ärgerlich ist jedoch, dass die Kommunalaufsicht in ihrem Antwortschreiben auf keines unserer Argumente inhaltlich eingeht.

Die rechtliche Lage ist also eindeutig. Und auch die politische Bewertung ist aus meiner Sicht klar. Von der Kommunalaufsicht erwarte ich, dass sie die Gemeinden fundiert und rechtssicher berät. Bürgermeister*innen und Gemeinderatsmitglieder müssen ihr vertrauen können. In diesem Fall hat die Kommunalaufsicht in einer Sache zweimal eine Falschberatung vorgenommen, deren Rechtsfehlerhaftigkeit auch einem juristischen Laien nach der Lektüre des Gesetzes sofort auffallen musste. Dies hat das Vertrauen in die Rechtsaufsicht nachhaltig erschüttert, vor allem, weil sie sich in Hettstadt zuletzt ebenfalls mit mindestens zweifelhaften Aussagen hervorgetan hat. Die Gemeindeverwaltung und Klaus Schmidt trifft an dieser Stelle deswegen keine Schuld. Den rechtsfehlerhaften Beschluss und die dadurch erzeugte Unruhe hat einzig und allein die Kommunalaufsicht zu verantworten. Landrat Eberth täte gut daran, dafür zu sorgen, dass solche offensichtlichen Fehler und Versäumnisse in Zukunft nicht wieder vorkommen.

Im Landtag wird derzeit über eine Änderung der BayGO debattiert, die Pandemieausschüsse auch über einen längeren Zeitraum als sechs Wochen zulassen würde. Ich hoffe sehr, dass sich die Lage zeitnah entspannt, sodass solche Instrumente nicht gebraucht werden. Egal wie es weitergeht, für mich ist jedoch klar: auch in einer Pandemie muss die Demokratie weitergehen. Gesundheitsschutz ist bestmöglich zu leisten, aber demokratische Rechte der demokratisch gewählten Gemeinderatsmitglieder, insbesondere die Teilhabe an wichtigen Debatten und Entscheidungen, dürfen nur in absoluten Ausnahmefällen für kurze Zeit und keinesfalls dauerhaft eingeschränkt werden, zum Beispiel bei einer sehr hohen Inzidenz. Nicht nur deswegen müssen wir alles tun, um die Inzidenz möglichst niedrig zu halten – aber eben auch, weil wir das unserer Demokratie schuldig sind.