Warum ich mich als Kommunalpolitiker durch die Polizei nicht ausreichend geschützt fühle

Polizei 8. Dezember

Am 29. Dezember 2021 wurde ich von einem Teilnehmer der verschwörungsideologischen und antisemitischen “Querdenken”-Demonstration beleidigt. Obwohl ich die in großer Zahl umstehenden Polizist*innen mehrfach dazu aufforderte, die Personalien des Täters zum Zweck einer Anzeige festzustellen, ließ die Polizei ihn sehenden Auges laufen. Das von mir im Anschluss angestrengte Strafverfahren wurde eingestellt, da der Täter – logischerweise – nicht ermittelt werden konnte.

Das von mir in der Folge gegen die eingesetzten Polizist*innen wegen Strafvereitelung angestrengte Verfahren wurde mit einer hanebüchenen Begründung eingestellt. Hiergegen haben ich Beschwerde eingelegt.

Darüber hinaus hat der Fall allerdings auch eine politische Dimension. Als bekannter Kommunalpolitiker bin ich immer wieder Anfeindungen durch die extrem rechte Szene ausgesetzt. Im Bundestagswahlkampf wurde ich von mehreren Personen aus der “Querdenken”-Szene bedroht und gestalkt. Schon damals zeigte die Polizei kein sonderlich großes Engagement, dies einzudämmen. Und wenn jetzt “Querdenker” mit ihren Straftaten durchkommen, obwohl die Polizei in großer Anzahl direkt daneben steht, dann ist das eine Verletzung der Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker*innen. Interessant finde ich dabei, dass die Polizei in Würzburg meist enorm schnell bei der Feststellung der Personalien ist, wenn es um Linke geht, in meinem Fall aber nichts tat.

Hier dokumentiere ich meine Beschwerde gegen den Einsatz, das aus meiner Sicht völlig unzureichende Antwortschreiben des Polizeipräsidiums Unterfranken sowie meine Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens wegen Strafvereitelung im Amt.

Zudem habe ich dem Polizeipräsidenten einen offenen Brief geschrieben.

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Tolle,

sehr geehrter Herr leitender Regierungsdirektor Reil,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Beschwerde vom 02.01.2022.

Leider zeigen Sie in Ihrem Schreiben keinerlei Selbstkritik bezüglich des Verhaltens Ihrer Kräfte am 29.12.2021. Völlig unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz des Vorgangs – hierzu habe ich bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg eine Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingereicht – ist es ein Fakt, dass ein mutmaßlicher Straftäter entkommen konnte, obwohl ausreichend Polizeikräfte anwesend waren, um ihn festzuhalten.

Mehr noch, die anwesenden Polizeikräfte wurden von mir in ihrer Gesamtheit mehrfach und deutlich per Megaphon aufgefordert, den mutmaßlichen Straftäter festzuhalten und seine Personalien festzustellen. Diese Aufforderung müssen aufgrund der Situation alle anwesenden Polizeikräfte, auch Frau PHK’in XXXX [Name im Original genannt], mitbekommen haben. Ebenso müssen mehrere Polizeikräfte die gegen mich gerichtete Beleidigung mitbekommen haben, denn sie standen währenddessen direkt neben dem mutmaßlichen Täter.

Ihre Polizeikräfte waren in dieser Situation trotz massiver Präsenz nicht willens oder nicht in der Lage, einen mutmaßlichen Straftäter festzuhalten und haben ihn sehenden Auges entkommen lassen. Die von Ihnen geschilderten Umstände können diese Tatsache nicht entschuldigen, da auch außerhalb von Herrn XXXX genug andere Kräfte anwesend waren, die hätten eingreifen können. Zudem hatte Herr XXXX selbst offenbar genug Zeit für ein Gespräch mit mir, aber nicht genug Zeit, um den mutmaßlichen Täter aufzuhalten. Ihre Schilderung passt also mit den Tatsachen nicht zusammen. Es sollte eigentlich im Interesse der Polizei liegen und ist im Übrigen auch Ihre Verpflichtung, insbesondere bei politischen Taten eine Aufklärung und Strafverfolgung zu gewährleisten. Dies ist hier unterblieben und Ihre ‚Entschuldigung‘ dafür ist mehr als dürftig.

Dass Ihre Kräfte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, führt dazu, dass ich mich als bekannter Kommunalpolitiker, Kreisrat und 2. Bürgermeister, der immer wieder Bedrohungen und Beleidigungen durch Angehörige der „Querdenken“-Bewegung ausgesetzt ist, durch Sie und Ihre Polizeikräfte nicht ausreichend geschützt fühle. Die mangelnde Verfolgung derjenigen, die mich angehen und bedrohen, ermuntert diese Personen, ihre Aktivitäten zu verstärken. Derselbe Effekt war bereits im Bundestagswahlkampf zu sehen, als Personen aus dem „Querdenken“-Spektrum immer wieder meine Wahlkampfveranstaltungen störten.

Das Eingeständnis des Fehlverhaltens Ihrer Kräfte, eine persönliche Entschuldigung Ihrerseits und die Zusicherung, dass ich in Zukunft als Kommunalpolitiker ausreichend vor „Querdenken“ und anderen Rechtsextremen geschützt werde, halte ich deswegen für angemessen.

Noch ausstehende Fragen können wir auch gerne in einem persönlichen Gespräch klären.

Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass dieses Schreiben ein offener Brief ist, den ich auch auf meiner Webseite veröffentlichen werde.

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Hansen

Ich hoffe sehr, dass die unterfränkische Polizei in Zukunft mehr Fähigkeit zur Selbstkritik zeigt und mich vor den Übergriffen der “Querdenker” sowohl im akuten Geschehen als auch durch Strafverfolgung der Täter*innen effektiv schützt.