Heute wurde der Bericht der von der Staatsregierung eingesetzten Kommission zum bayerischen Polizeiaufgabengesetz veröffentlicht. Ich hab ihn gelesen und das steht drin:
Worum geht es?
Nach der enormen Kritik am neuen PAG hatte die Staatsregierung eine Kommission eingesetzt, die das PAG in der Umsetzung “begleiten” sollte. Dabei wurden insbesondere der Begriff „drohende Gefahr“, die im Gesetz vorgesehene DNA-Analyse und die sogenannte „Unendlichkeitshaft“ untersucht. Zu beachten ist, dass es sich bei der Kommission keineswegs um eine tatsächlich unabhängige Kommission handelt, sondern dass sie eine Kommission von Gnaden der Staatsregierung ist – und die ganze Maßnahme hauptsächlich eine Beruhigungspille im Wahlkampf 2018 sein sollte.
Wie bewertet die Kommission die Untersuchungsgegenstände?
Drohende Gefahr
Die „drohende Gefahr“ war geschaffen worden, um der Polizei Eingriffsmöglichkeiten im Gefahrvorfeld zu ermöglichen. Beruhend auf einem Urteil des BVerfG war das Ermitteln im Gefahrvorfeld bisher allein bei Terrorismus oder ähnlichem erlaubt. Die CSU weitete es mit dem neuen Gesetz auf die allgemeine Kriminalität aus.Die Kommission spricht sich dafür aus, die „drohende Gefahr“ beizubehalten, denn: „Die Kommission hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihrer durchgeführten Erhebungen keine Tatsachen festgestellt, die aus der Perspektive der Gesetzesanwendung gegen die Einführung der drohenden Gefahr als solcher und die damit verbundene Erweiterung der Generalklausel sprechen.“ Lediglich eine Einschränkung auf “überragend wichtige Rechtsgüter” sei sinnvoll.
Dabei hat die Kommission allerdings außer Acht gelassen, dass man die „drohende Gefahr“ nicht nur aus der Perspektive der Gesetzesanwendung im Zeitraum eines Jahres betrachten sollte. Sondern man muss ganz generell fragen, welche Möglichkeiten den Sicherheitsbehörden durch diesen Begriff gegeben werden. Nur weil das Handeln der Polizei innerhalb des letzten Jahres (scheinbar) nicht gegen die drohende Gefahr sprach, muss das nicht für immer so bleiben. Mit „drohender Gefahr“ lassen sich theoretisch alle möglichem Maßnahmen gegen Bürger*innen begründen. Die Polizei und das Innenministerium sind dabei politische Akteur*innen, die eigene Interessen haben. Es ist offensichtlich, dass auch die „drohende Gefahr“ für die Durchsetzung dieser Interessen über polizeiliche Maßnahmen eingesetzt werden kann. Das hätte dann mit einem demokratischen Rechtsstaat nur noch wenig zu tun und wäre ein fundamentaler Eingriff in unsere Freiheitsrechte. Allein die Möglichkeit ist das Problem – deswegen muss dieser Begriff gestrichen werden und zwar komplett!
DNA-Analyse von Spurenmaterial
Hierbei geht es um die phänotypische molekulargenetische Untersuchung von Spurenmaterial. Das heißt, aus DNA-Spuren kann abgelesen werden, welche Merkmale der Mensch hat (Hautfarbe, Haarfarbe etc.). Diese Merkmale fließen dann in die Fahndung ein.
Die Kommission findet, dass „die Befugnis zur phänotypischen molekulargenetischen Untersuchung von Spurenmaterial bisher einen eher geringen praktischen Anwendungsbereich“ hat. Außerdem empfiehlt sie einen Richtervorbehalt und weist abschließend auf folgendes hin: „Erfolgt keine Änderung der gesetzlichen Regelung zu den phänotypischen Feststellungen genetischer Merkmale, sollten zumindest bindende Handlungsanweisungen in einer Vollzugsbekanntmachung eventuelle Risiken einer Diskriminierung oder Vorverurteilung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen minimieren“
In diesem Hinweis liegt auch das große Problem an der DNA-Analyse und anschließender Fahndung: während eine Person, die weiße Haut, blonde Haare und blaue Augen hat, anhand dieser Merkmale in Deutschland relativ schwierig zu finden sein sollte, kann eine Öffentlichkeitsfahndung nach einer Person, die dunkle Haut hat, sehr schnell zu Racial Profiling führen. Das wird man auch mit einer Handlungsvorschrift nicht beseitigen. Denn offiziell gibt es bspw. Racial Profiling in Zügen der DB überhaupt nicht, durchgeführt wird es von der Bundespolizei trotzdem. Die Möglichkeit zur phänotypischen DNA-Analyse kann also in der Praxis fast nur gegen People of Colour eingesetzt werden und ist deswegen strukturell rassistisch. Sie sollte deswegen schnellstmöglich wieder abgeschafft werden.
Unendlichkeitshaft
Diese wurde bereits 2017 eingeführt. Es handelt sich dabei um einen Präventivgewahrsam ohne zeitliche Höchstgrenze. Man kann also theoretisch „unendlich lange“ in Haft genommen werden, ohne eine Straftat begangen zu haben oder gar verurteilt worden zu sein.Insgesamt wurden laut Kommission zwischen 2017 und 2019 insgesamt 19 Personen länger als 14 Tage präventiv inhaftiert. In einem Fall wurde dagegen geklagt und gerichtlich festgestellt, dass die Haftdauer unverhältnismäßig war. Dieser Fall betraf, wie einige andere, einen Geflüchteten. Fast immer wurde die Haft mit der Vermeidung von Straftaten begründet.
Die Kommission schlägt vor, wieder eine maximale Dauer des Präventivgewahrsams einzuführen. Das ist insofern bemerkenswert, dass die defacto vorgenommene Abschaffung der Höchstdauer eine der zentralen Aspekte der damaligen Reform des PAG war. Ebenfalls ist auffällig, dass auch die Kommission bemerkt hat, dass die Präventivhaft auffällig oft gegen Geflüchtete eingesetzt wird. Auch ist die Vorschrift offensichtlich strukturell rassistisch.
Fazit
Dafür, dass die PAG-Kommission als PR-Maßnahme des Wahlkämpfers Markus Söder gestartet ist, war sie überraschend kritisch. Allein das kommt für die Staatsregierung einer Ohrfeige gleich. Dennoch wurden entscheidende Bewertungen, insbesondere bezüglich der offensichtlichen Verfassungsfeindlichkeit des PAGs, überhaupt gar nicht erst vorgenommen. Das entwertet den tatsächlichen Gehalt des Berichtes. Klar bleibt: die beiden PAG-Novellen müssen rückgängig gemacht werden. Wir brauchen keinen Polizeistaat, in dem die Sicherheitsbehörden im Zweifel fast alles dürfen, sondern einen Rechtsstaat, der unsere aller Freiheit sichert!