Anfang Dezember 2014, Würzburg. Zum wiederholten Male geht die rassistische „PEGIDA“-Bewegung auf die Straße. Doch sie kommen nicht weit. In der Juliuspromenade blockieren mehrere hundert Gegendemonstrant*innen die Straße. Die nächsten Montage bis März 2015 verbringt „PEGIDA“ in Würzburg in einem abgegitterten Laufstall in verschiedenen Hintergassen der Würzburger Innenstadt. Tausende stellen sich dem extrem rechten Mob in der Spitze entgegen.
Anfang Dezember 2021, Würzburg. Seit über einem Jahr geht die Corona-leugnende, zu größeren Teilen antisemitische und von extrem rechten Kadern unterstützte „Querdenken“-Bewegung auf die Straße. Während es im Winter 2020/21 noch immer mal wieder Gegenproteste gab, kann der wissenschaftsfeindliche Mob von Impfgegner*innen nun ungehindert und fast unwidersprochen mitten durch die Würzburger Innenstadt ziehen. Bei der Demonstration am 1. Dezember 2021 waren es fast 400 Personen – die größte extrem rechte Demonstration in Würzburg seit „PEGIDA“.
Was ist los mit der Würzburger Zivilgesellschaft?
Selbstverständlich gibt es zwischen den beiden Situationen große Unterschiede. 2014/15 führte „PEGIDA“ ohne rationalen Grund zu einer Debatte über Geflüchtete, imaginierte „Überfremdung“ und die durch die extreme Rechte gewünschte „nationale Identität“. Heute haben wir eine globale Pandemie. Es ist verständlich, dass sich in den Monaten, in denen es keinen Impfstoff gab, kaum jemand Vernünftiges in eine große Gegendemonstration gegen eine Gruppe, die man damals auch ignorieren konnte, begeben wollte.
Doch jetzt ist die Situation eine andere. Alle, die wollten, sind geimpft (ich selbstverständlich auch; den Booster gibt es dann hoffentlich Anfang Januar). Ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft ist es jedoch nicht. Aufgrund dessen müssen wir jetzt wieder starke Einschränkungen ertragen. Und noch schlimmer: seit Monaten hat sich in ganz Deutschland ein toxisches Milieu aus der klassischen extremen Rechten, Esoteriker*innen, Impfgegner*innen und Verschwörungsideolog*innen gebildet. All diese Gruppen eint die Leugnung der Pandemie, ihr latenter bis offener Antisemitismus sowie eine gewisse Staats- und Demokratiefeindlichkeit. Teile des Milieus sind offen gewaltbereit; es kam bereits zu Anschlägen auf staatliche Einrichtungen sowie zu einem Mord in Idar-Oberstein. Dennoch kann „Querdenken“ ihren unwissenschaftlichen Unfug zur Impfung und ihre antisemitische Propaganda (von Verharmlosung der Shoah über Selbstgleichsetzung mit Sophie Scholl bis hin zu einer imaginierten Verschwörung der sogenannten „Pharma-Lobby“) Woche für Woche in Würzburg unwidersprochen verbreiten. Die Desinformation hält Leute von der Impfung ab, die Propaganda verursacht eine weitere Radikalisierung bis hin zu offenen Umsturzfantasien. Der fehlende Widerspruch lässt sie glauben, sie seien die Mehrheit und im Recht.
Den Widerspruch auf die Straße tragen!
Es bedarf keiner weiteren Erklärung, warum die Würzburger Zivilgesellschaft jetzt ihre Stimme erheben muss. „Querdenken“ wurde in Würzburg lange genug ignoriert, geholfen hat es nicht. Im Gegenteil. Was bei „PEGIDA“ möglich war – den Mob aus der Stadt zu vertreiben – muss auch jetzt wieder drin sein.
Für den 8. Dezember hat „Querdenken“ die nächste Demonstration angekündigt. Die GRÜNE JUGEND Würzburg hat eine Gegenkundgebung für 17:40 Uhr am Domvorplatz angemeldet.
Wir sehen uns auf der Straße!