Wie wird die neue Kläranlage finanziert?

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In der Sitzung des Abwasserzweckverbands am 17. November wurde über die Finanzierung der neuen Kläranlage diskutiert.

Die Kläranlage des bisherigen Abwasserzweckverbands (die Gemeinden Eisingen, Waldbrunn, Hettstadt und Waldbüttelbrunn) kann wegen ihres Alters und ihres schlechten Zustandes nicht mehr lange genutzt werden. Deswegen muss eine neue Kläranlage gebaut werden. Auch die Gemeinde Kist braucht eine neue Kläranlage. Deswegen haben alle diese Gemeinden einen neuen Zweckverband gegründet, um gemeinsam eine Kläranlage zu planen und zu bauen. Nun geht es um die Finanzierung dieses Projekts. Hier kommt es zu sehr unterschiedlichen Ansichten der beteiligten Gemeinden. Diese unterschiedlichen Ansichten führen zu sehr unterschiedlich hohen finanziellen Auswirkungen auf die Bürger*innen der Gemeinden.

In der Sitzung des Abwasserzweckverbands wurden die unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten der neuen Kläranlage vorgestellt. Die Kosten für das Projekt belaufen sich nach derzeitigem Stand auf insgesamt rund 32 Millionen €.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Finanzierung der Kläranlage eine sehr komplizierte Angelegenheit ist, weswegen ich es sehr wichtig finde, dass mit der Sitzung größtmögliche Transparenz hergestellt wurde.

Deswegen an dieser Stelle auch eine Kurzzusammenfassung für alle, die es kürzer mögen:

Die Kosten der Kläranlage müssen aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zu 100 % von den Bürger*innen getragen werden. Ich setze mich dabei für eine faire Verteilung der Lasten zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen ein. Dies ist nur möglich, wenn die Kosten vom Abwasserzweckverband zunächst komplett an die Gemeinden weitergegeben werden. Nur so kann der Gemeinderat frei entscheiden, wie er die Kosten auf die Bürger*innen umlegt. Außerdem werden nur so auch langfristig Fördermittel gesichert, die den Bürger*innen zugute kommen und deren Belastung verringern. Leider plädieren die anderen Gemeinden für eine Finanzierung mit Krediten durch den Zweckverband, da sie hoffen, die Kosten so „verstecken“ zu können. Dadurch würden erhebliche Zusatzkosten für alle Beteiligten entstehen und eine faire Lastverteilung wäre damit aus meiner Sicht nicht mehr möglich. Eine Entscheidung darüber fällt am 4. Dezember.

Und hier folgen nun die ziemlich komplizierten Einzelheiten zu dieser Problematik:

  1. Grundlegende Ausführungen zur Finanzierung einer neuen Abwasserentsorgungsanlage (Kläranlage)

Grundsätzlich müssen Abwasserentsorgungsanlagen zu 100 % durch die Nutzer*innen bezahlt werden; das bedeutet, dass die Einwohner*innen der beteiligten Gemeinden Hettstadt, Waldbrunn, Eisingen, Kist und Waldbüttelbrunn (sowie die ansässigen Gewerbebetriebe) für die Kosten in voller Höhe aufzukommen haben. Das ist gesetzlich so festgelegt und es gibt für die Gemeinderäte hier keinen Entscheidungsspielraum.

Für die Umlage der Kosten auf die Bürger*innen gibt es zwei Instrumente: die Abwassergebühren und sogenannte Verbesserungsbeiträge.

Die Abwassergebühren werden pro Kubikmeter Verbrauch erhoben. Das betrifft alle, die in Waldbüttelbrunn wohnen, egal, ob sie zur Miete oder in ihrem eigenen Hauseigentum wohnen. Erfolgt die Finanzierung der Kläranlage über Gebühren, müssen die Kosten von der Gemeinde vorfinanziert werden und innerhalb der nächsten 30 Jahre auf die Bürger*innen umgelegt werden. Durch die Vorfinanzierung entstehen auch (ggf. fiktive) Kreditzinsen. In die Kalkulation würde im Falle der Kläranlage die jährliche Abschreibung einfließen, inklusive eines kalkulatorischen Zinses (derzeit 2,5 %).

Ein Verbesserungsbeitrag ist eine einmalige Zahlung der Grundstückseigentümer für den Bau der Kläranlage. Sie rechtfertigt sich daraus, dass das Grundstück einen hohen Wert hat, wenn es durch eine Abwasserbeseitigungsanlage erschlossen ist. Die Verbesserungsbeiträge werden von den Grundstückseigentümern, also auch den Eigentümern unbebauter, aber anschlussfähiger Grundstücke, erhoben, abhängig von der Grundstücksgröße und der Geschossflächenzahl. Hier werden die Kosten einfach anteilig auf die Eigentümer*innen verteilt. Die Mieter*innen werden durch diese Methode nicht belastet.

Gebühren belasten somit alle Bürger*innen und Betriebe in Waldbüttelbrunn, Beiträge die Eigentümer*innen der Grundstücke. Beide Arten der Finanzierung haben also Vor- und Nachteile. Eine Kombination der beiden Möglichkeiten ist auch möglich, also eine jeweils anteilige Finanzierung über Gebühren und Beiträge.

  1. Das Verhältnis zwischen Abwasserzweckverband und Gemeinde bei der Finanzierung der Abwasseranlage

Ein Zweckverband kann weder Gebühren erheben noch Beiträge festsetzen. Das können nur die Gemeinden. Der Zweckverband, der die Kläranlage baut, muss die Kosten somit zunächst auf die Gemeinden umlegen.

Dafür gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: entweder der Zweckverband reicht die Kosten komplett und sofort an die Gemeinden gemäß deren Anteil (diese sind schon berechnet und fix, die Gemeinde Waldbüttelbrunn muss 25 % der Kosten tragen) weiter oder aber der Zweckverband nimmt Kredite auf, die er über die Jahre zurückzahlen muss, inklusive Zinsen. Die Kosten der Tilgung und der Zinsen reicht er dann jährlich an die Gemeinden weiter.

Hier wird es nun kompliziert:

Sofern der Zweckverband die Kosten direkt an die Gemeinden durchreicht, werden diese sofort kassenwirksam. Das bedeutet, dass die Kosten direkt in diesem Jahr im Haushalt der Gemeinde als Ausgabe verbucht werden. Das bedeutet auch, dass im Haushalt die Deckung der Kosten dargestellt werden muss. Die Gemeinde kann nun entscheiden, ob sie zur Deckung der Kosten Beiträge verlangt (eine seriöse Bezifferung der Kosten für die einzelnen Grundstückseigentümer*innen ist hier zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich) oder die Gebühren in den nächsten Jahren erhöht (würde man die 32 Millionen € Kosten komplett auf die Gebühr umlegen, würde diese um 2,22 € pro m³ steigen). Im Fall der Gebührenerhöhung müsste die Gemeinde die Kosten vorfinanzieren; Hierdurch entstehen zusätzliche Ausgaben für die Kreditzinsen, sofern für die Vorfinanzierung Kredite aufgenommen werden müssen. Im Fall der Beiträge würde die Gemeinde das Geld sofort erhalten, ggf. in mehreren Raten.

Sofern der Zweckverband Kredite aufnimmt, werden diese Kosten zunächst nicht kassenwirksam, sondern erreichen die Gemeinde über die Schuldendienstumlage verteilt auf die nächsten 30 Jahre Das führt dazu, dass nur eine Finanzierung über die Gebühren möglich ist. Dabei muss man beachten, dass der derzeitige reale Zins höher ist, als der kalkulatorische Zins, der in die Gebühren einfließt. Die Zusatzkosten, die diese Differenz verursacht, können nicht auf die Bürger*innen umgelegt werden und verbleiben im Gemeindehaushalt als eben zusätzliche Kosten.

  1. Das konkrete Problem: unterschiedliche Ansichten der Gemeinden zur Finanzierung der Kläranlage

In der Sitzung ging es nun darum, ob der Zweckverband Kredite aufnehmen sollte und wenn ja in welchem Maße oder ob er die Kosten direkt an die Gemeinden weitergeben sollte.

Einige Gemeinden wollen die Kosten komplett beim Zweckverband aufnehmen. Andere Gemeinden sind dazu bereit, die Hälfte der Kosten gleich im eigenen Haushalt kassenwirksam werden zu lassen und nur für die andere Hälfte der Kosten Kredite beim Zweckverband aufzunehmen. Ich habe genauso wie der Waldbüttelbrunner Gemeinderat die Position vertreten, dass die Kosten komplett direkt an die Gemeinden weitergegeben werden sollten. Dafür habe ich folgende Gründe:

a) Sofern die Kosten mit Krediten beim Zweckverband finanziert werden, verliert der Gemeinderat für die kreditfinanzierten Kosten die Entscheidungsmöglichkeit, ob er diese Kosten durch Gebühren oder durch Beiträge oder durch eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten an seine Bürger*innen weitergibt. Er muss diese Kosten dann durch eine reine Gebührenerhöhung weitergeben. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Gemeinderats – deswegen muss hier auch die Entscheidung bei den fünf Gemeinderäten jeweils einzeln liegen und die Zweckverbandsversammlung sollte hier nicht einzelnen Gemeinden eine Entscheidung aufzwingen.

b) Eine Finanzierung mit Krediten am Zweckverband führt zu erheblichen Zusatzkosten in den nächsten 30 Jahren und damit zu deutlich höheren Gesamtkosten für die Bürger*innen. Die gesamten Zusatzkosten liegen bei einer 100 %igen Finanzierung durch Kredite überschlägig gerechnet in etwa bei 23 Millionen € Kreditzinsen, wovon 15 Millionen € durch die Bürger*innen aufgebracht werden müssten (zusätzlich zu den 32 Millionen Euro für die Kläranlage selbst) und 8 Millionen € durch die Gemeinden finanziert werden müssen. Die 8 Millionen € entsprechen den durch die oben beschriebene Zinsdifferenz verursachten Zusatzkosten. Auf die Gemeinde Waldbüttelbrunn kämen davon 2 Millionen € zu, was in den nächsten 30 Jahren eine jährliche Belastung von knapp 70.000 € bedeutet – Geld, das dann nicht in sinnvolle Projekte fließen kann, sondern das in der Rendite der Bank verschwindet. Diese Steuergeldverschwendung – und die zusätzliche Belastung der Bürger*innen – halte ich für unverantwortlich.

c) Sofern eine Gemeinde in der Vergangenheit größere Summen in die Abwasserentsorgungsanlagen investiert hat, kann sie eine Förderung des Freistaats erhalten. Diese Förderung reduziert die die Kosten, die auf die Bürger*innen umgelegt werden. Die Förderung entlastet also die Bürger*innen direkt und die Förderung fließt auch vollständig in diese Entlastung. Für die Gemeinde Waldbüttelbrunn geht es in diesem Fall um rund 1,3 Millionen €. Die Förderung kann allerdings nur ausgezahlt werden, wenn die Kosten direkt kassenwirksam werden. Das bedeutet: 100 % Finanzierung durch Kredite am Zweckverband bedeutet, dass den Waldbüttelbrunner Bürger*innen diese Förderung verloren geht! Und mehr noch: alle Kosten, die nicht sofort kassenwirksam werden, können auch nicht für die Berechnung einer Förderung in Zukunft herangezogen werden. Denn auch in Zukunft wird es Investitionen in die Abwasserbeseitigung geben und eine Förderung dieser zukünftigen Investitionen ist dann nur möglich, wenn die Kosten der Kläranlage sofort kassenwirksam werden, also NICHT mit Krediten am Zweckverband finanziert werden.

d) Werden dagegen die Kosten an die Gemeinde Waldbüttelbrunn komplett weitergegeben , kann die Gemeinde Waldbüttelbrunn diese Kosten über Beiträge oder über Gebühren oder parallel über beides auf die Bürger*innen umlegen. Dabei würde ich für eine Mischfinanzierung aus Gebühren und Verbesserungsbeiträgen plädieren, sodass ein fairer Ausgleich zwischen den Grundstückseigentüm*erinnen und den Mieter*innen geschaffen wird.

Für die Gebühren bedeutet das Folgendes: Die Gemeinde Waldbüttelbrunn hat in den letzten Jahren solide gewirtschaftet und wäre wahrscheinlich in der Lage, einen kleineren Teil der Kosten zunächst ohne weitere Kreditaufnahme im allgemeinen Haushalt vorzufinanzieren, um so diesen Teil der Kosten über eine mäßige Gebührenerhöhung in den nächsten Jahren von den Bürger*innen zurückzuholen.

Für die Beiträge bedeutet das: Den größeren Teil der Kosten würde die Gemeinde dann über Beiträge an die Bürger*innen umlegen. So würden Eigentümer*innen und Mieter*innen gleichermaßen und fair belastet und es entstünden für die Gemeinde keine zusätzlichen Kreditkosten. Für Härtefälle würde zudem eine Härtefallregelung geschaffen, um niemandem im Regen stehen zu lassen, wenn es hart auf hart kommt.

Zusammenfassung: Eine Finanzierung der Kläranlage durch Kredite am Zweckverband verursacht erhebliche Zusatzkosten, nimmt dem Gemeinderat die Entscheidungsfreiheit und gefährdet die Fördermöglichkeiten durch den Freistaat und damit die Entlastung unserer Bürger*innen. Sie führt also zu erheblich höheren Gesamtkosten für die Bürger*innen.

Leider sind die anderen Gemeinden im Gegensatz zu Waldbüttelbrunn nicht dazu bereit, ihren Anteil der Kosten der Kläranlage gleich zu hundert Prozent in ihre eigenen Haushalte zu übernehmen. Sie möchten entweder eine komplette oder eine anteilige Finanzierung der Kosten durch Kredite am Zweckverband. Das liegt daran, dass die anderen Gemeinden ihre Kosten gerne im Haushalt des Zweckverbands „verstecken“ möchten (O-Ton Andrea Rothenbucher, Bürgermeisterin von Hettstadt), um so weder ihren eigenen Haushalt mit Krediten belasten, noch ihren Bürger*innen hohe Verbesserungsbeiträge zumuten zu müssen. Denn anders als die Gemeinde Waldbüttelbrunn könnten die anderen Gemeinden aufgrund deren schlechter Haushaltslage (böse Zungen würden in manchen Fällen auch sagen: Misswirtschaft) die Kosten der Kläranlage nicht einmal anteilig ohne die Aufnahme von Krediten vorfinanzieren. Deswegen müssten sie die Kosten zu 100 % mithilfe von Beiträgen auf die Bürger*innen umlegen, anstatt über die Gebühr. Das wird allerdings seitens der anderen Gemeinden nicht gewünscht und somit sollen die oben genannten großen finanziellen Nachteile für alle Bürger*innen in Kauf genommen werden, um einen solchen „Schattenhaushalt“ beim Zweckverband zu ermöglichen. Im Endeffekt bedeutet die Haltung der anderen Gemeinden eine ungeheuer große Steuerverschwendung zu Lasten aller Büger*innen aller fünf beteiligten Gemeinden.

In der Sitzung konnte leider keine Einigung erzielt werden. Am 4. Dezember wird die Abstimmung über die Finanzierung erfolgen.

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