Warum die Debatte um die Talavera unehrlich ist

2022-04-16 Talavera

Ein Großparkplatz mitten in der Stadt, auf dem man in Zukunft fürs Parken bezahlen muss. Eigentlich keine große Sache und im Jahr 2022 selbstverständlich, sollte man meinen. Doch die Bewirtschaftung der Talavera in Würzburg ist zum Symbol eines Kulturkampfs geworden, der von Konservativen nur zu gerne geführt wird, um von ihrem eigenen Versagen in Sachen Klimaschutz abzulenken. Um den Status Quo zu retten, wurde mit maßgeblicher Unterstützung der CSU jetzt ein Bürger*innenbegehren gestartet, um Parkgebühren auf der Talavera zu verhindern. Egal, wie das am Ende ausgeht: anstatt Stellvertreterdebatten zu führen, sollten wir endlich offen darüber debattieren, wie sich Mobilität hier vor Ort verändern muss, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.

Zunächst: die Fakten

Die Bundesrepublik Deutschland hat im September 2016 das völkerrechtlich verpflichtende Pariser Abkommen ratifiziert, das eine Reduktion der Erderwärmung auf möglichst nicht mehr als 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zustand vorsieht. Daraus folgt für jedes Land ein Restbudget an CO2, das es ausstoßen darf. Die Bundesrepublik muss also dafür sorgen, nicht mehr CO2 als in diesem Restbudget festgelegt, auszustoßen. Alle Sektoren (zum Beispiel Energiesektor, Verkehrssektor, Gebäudesektor usw.) müssen ihren Beitrag leisten – doch im Verkehr sind die Emissionen seit 1990 nicht gesunken. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, muss der Autoverkehr in Deutschland bis 2035 um 50 % reduziert werden, hat das Wuppertal-Institut ausgerechnet. Und der Rest muss selbstverständlich klimaneutral werden. Selbst wenn die Reduktion am Ende geringer ausfallen kann, bedeutet das, dass vor Ort, auf kommunaler Ebene, große Anstrengungen von Nöten sind, um die Mobilität der Menschen zu verändern und klimaneutral zu machen. Aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik geht es dabei eigentlich nur noch um das wie, nicht mehr um das ob.

Dann: die Realität

In dieser Situation ist die Bewirtschaftung der Talavera ein kleiner Mosaikstein, um den Autoverkehr unattraktiver zu machen und dadurch mehr Menschen dazu zu bringen, andere, klimafreundlichere Verkehrsmittel zu nutzen. Diese Reduzierung des Autoverkehrs führt zu weniger CO2-Ausstoß und trägt damit zur Einhaltung des Pariser Abkommens bei. Man muss betonen: es ist ein wirklich sehr kleiner Mosaikstein, der für das Gesamtbild aber genauso notwendig ist, wie alle anderen auch. Dennoch wird diese Maßnahme von der CSU und einigen anderen Konservativen zum Untergang der Stadt hochgejazzt, meist mit dem Argument, man hätte doch zunächst andere Verkehrsmittel attraktiver machen müssen, um den Menschen eine Fahrt in die Stadt ohne Auto zu ermöglichen. Wie bigott dieses Argument ist, zeigt die jüngere Geschichte: es war die CSU, die Bayern zum Autoland deklarierte1. Es waren Konservative, die die Siedlungs- und Versorgungsstruktur so konstruierten, dass das eigene Auto ein zentraler und schwer ersetzbarer Teil des Gesamtkonstruktes ist2. Konservative sorgten in Würzburg dafür, dass die Preise für Bustickets im Raum Würzburg jedes Jahr steigen, die der Parkgebühren jedoch nicht3. Dass die Radinfrastruktur in Stadt wie Landkreis Würzburg massiv zu wünschen übrig lässt, ist die Schuld der Konservativen – unseren Antrag auf eine*n Radverkehrsmanager*in im Kreistag Würzburg etwa lehnte 2021 die CSU-geführte Mehrheit ab4. Und Konservative sind die ersten, die jammern, wenn die Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr steigen5 oder jemand eine Straßenbahn bauen will6, dafür aber gleichzeitig bedenkenlos Millionen von Euros im Straßenbau verbrennen wollen7.

Von Nebelkerzen und anderen Nicht-Argumenten

Kurz: das Standard-Argument der Konservativen, man müsse erstmal andere Verkehrsmittel stärken, ist eine Nebelkerze. Konservative wissen ganz genau, dass sie es sind, die wirksamen Klimaschutz in den letzten Jahren blockiert haben. Mehr noch, sie wollen in der Regel gar keinen wirksamen Klimaschutz, sondern den fossilen Kapitalismus der vergangenen Jahrzehnte so lange wie möglich erhalten. Im Grund genommen ist allein das ein unfassbarer, mutwilliger Tritt ins Gesicht junger Menschen und der kommenden Generationen, denn wenn alles so weiter geht, ist dieser Planet irgendwann unbewohnbar.

Genauso kurz gedacht ist das Argument, dass Parkgebühren auf der Talavera unsozial wären. Selbstverständlich stellt eine Bewirtschaftung eine zusätzliche Belastung dar. Doch man wird mit einer Politik für Autos keine sozialen Probleme lösen. Das geht stattdessen mit guter Sozialpolitik, aber dann müsste man reiche Menschen stärker in die Verantwortung nehmen, was von der CSU selbstredend abgelehnt wird.

Allerdings wissen die Konservativen auch, dass sie mit rationalen Argumenten wenig Chancen haben, diese Debatten zu gewinnen. Deswegen wird ersatzweise ein emotionaler Kulturkampf geführt, der jedes rationale Argument überlagert. Diese Strategie wurde in den letzten Jahren vor allem in den USA praktiziert, ist jedoch inzwischen auch in Deutschland angekommen. Zumeist wird eine Veränderung so dargestellt, dass es den Menschen so erscheint, als wolle man ihnen etwas wegnehmen, was ihnen angeblich als quasi-Grundrecht zustehe, oder alternativ auch etwas aufzwingen. Das funktioniert beim Auto ziemlich gut, weil es ja auch tatsächlich so ist, dass viele Menschen aufgrund der gegebenen Strukturen sehr abhängig davon sind. Anschließend wird die Debatte anstatt mit Sachargumenten über diesen emotionalen Spin geführt. Die Befürworter*innen der angegriffenen Maßnahme geraten so automatisch in die Defensive, denn plötzlich sind sie es, die sich rechtfertigen müssen – und nicht etwa diejenigen, die wie hier in diesem Fall letztlich die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und damit das Überleben kommender Generationen auf diesem Planeten sabotieren.

Für eine sachliche Debatte auf der Grundlage des Pariser Abkommens

Man sollte mich hier bitte nicht falsch verstehen: eine sinnvolle, sachliche Debatte über den Weg der Umsetzung des Abkommens hier vor Ort wäre sehr hilfreich. Aber diese Debatte gibt es nicht, denn einen konkreten Vorschlag, wie alternativ CO2 eingespart werden soll, haben die Gegner*innen der Bewirtschaftung der Talavera bisher nicht vorgebracht. Der implizite Gegenvorschlag ist also, die CO2-Einsparung zu reduzieren und das Pariser Abkommen somit nicht einzuhalten, was aber niemand so ausspricht. Denn das würde – zurecht – kaum zu einem elektiven Erfolg führen. Die Öffentlichkeitsarbeit der Befürworter*innen von kostenlosem Parken beruht also nicht nur auf schlechten Argumenten, sondern letztlich auch auf Unehrlichkeit.

Das beschriebene Verhalten ist zukunftsvergessen und wird uns am Ende allen schaden. Denn eine sachliche Debatte über die Frage, wie wir CO2 im Verkehr einsparen können, ist so schwer bis unmöglich. Klar ist nur: Autoverkehr muss unattraktiver werden und die Städte perspektivisch größtenteils autofrei. Gleichzeitig brauchen wir endlich eine ordentliche Radinfrastruktur und einen ÖPNV, der das Auto ersetzen kann. Die dafür notwendigen Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden und dulden keinen Aufschub. Wir GRÜNE haben sie auf den Tisch gelegt, blockiert werden sie von anderen.

Eine Bewirtschaftung der Talavera kann dazu als kleiner Mosaikstein beitragen, aber es gibt auch noch andere wirksame Maßnahmen, um den Autoverkehr unattraktiver zu machen. Sollte die Bewirtschaftung aufgrund des Bürger*innebegehrens nicht umgesetzt werden, dann müssen eben diese anderen Maßnahmen ergriffen werden. Solange wir das Pariser Abkommen umsetzen wollen, werden wir um eine erhebliche Reduzierung des Autoverkehrs nicht herumkommen. Die sich dabei ergebenden sozialen Härten müssen abgefedert, der Ausbau von Alternativen massiv vorangetrieben werden. Aber ein „weiter so“ kann es, darf es nicht geben, auch nicht in der Verkehrspolitik hier vor Ort. Das sind wir kommenden Generationen schuldig.

Anmerkungen/Fußnoten

1Jedes Jahr gibt der Landkreis Würzburg mehrere Millionen € für den Ausbau von Straßen aus. 2021 waren im Haushaltsentwurf in etwa 11 Millionen € eingeplant, 2022 rund 10 Millionen €. Wenn es jedoch darum geht, Geld für den öffentlichen Nahverkehr auszugeben, dann wird der Gürtel deutlich enger geschnallt: in seiner Haushaltsrede 2022 hat der Fraktionsvorsitzende der CSU, Björn Jungbauer, die Frage gestellt, ob es die Ausgaben in Höhe von ca. 4,7 Millionen € überhaupt braucht. Dies zeigt die grundsätzliche Haltung der CSU sehr gut.

2Zur Erinnerung: noch im Jahr 2018 wurde durch die CSU-Staatsregierung das sogenannte Agglomerationsverbot aufgeweicht, um die Ansiedlung großer, oft nur mit dem Auto erreichbarer Supermärkte auf der grünen Wiese zu erleichtern. In der Folge wurde zum Beispiel in Waldbüttelbrunn vom Gemeinderat der Bau eines Supermarktes im Gewerbegebiet (gegen die Stimmen der Grünen) ermöglicht. Seitdem haben im Ortskern ein Bäcker und ein Metzger zugemacht und auch die Post wird wahrscheinlich bald schließen. Stattdessen ist sie jetzt im Supermarkt im Gewerbegebiet untergebracht.

3Die Preise für den ÖPNV steigen im Raum Würzburg seit Mitte der Nuller-Jahre jedes Jahr nach einem festgelegten Mechanismus. Für den 01.08.2022 ist eine Tarifanpassung von +3,78 % vorgesehen. Die Parkgebühren blieben im selben Zeitraum weitgehend stabil, bis es zuletzt im Rahmen der Beschlüsse, mit denen auch das Parken auf der Talavera kostenpflichtig werden soll, eine deutliche Erhöhung gab.

4Der Bau von Radwegen liegt in den meisten Fällen im Aufgabengebiet der Gemeinden. Dennoch kann der Landkreis eine koordinierende und fördernde Funktion einnehmen. Das ist auch bitter notwendig, denn gerade für den Bau interkommunaler Radwege fehlt oft eine Absprache zwischen den Kommunen oder auch überhaupt eine Bereitschaft, solche Radwege zu bauen. In dieser Legislaturperiode haben wir GRÜNE deswegen im Kreistag einen Antrag zur Einführung eines*r Radverkehrsmanager*in gestellt. Dieser wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Weiterhin haben wir einen Antrag zur Erstellung eines Radverkehrskonzepts gestellt. Mit einem stimmigen Konzept könnte man den Radverkehr gezielt ausbauen und auch wichtige Dinge zum Betrieb regeln, zum Beispiel wer den Radweg räumt und streut. Die CSU hat in der Debatte durchklingen lassen, dass sie das nicht für notwendig hält. Letztlich wurde der Antrag Anfang 2021 im Bauausschuss vertagt und seitdem nie wieder aufgerufen. Schließlich hat die SPD beantragt, der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen“ beizutreten. Dies hat der Kreisausschuss mit den Stimmen der CSU und der UWG ebenfalls abgelehnt. Es gibt im Kreistag Würzburg derzeit keine Mehrheiten dafür, Radwege im Landkreis koordiniert auszubauen. Schuld daran ist die CSU. Notwendig wäre stattdessen ein Netz von sicheren und bequemen Radwegen, mit denen man schnell in die Stadt fahren kann. Ebenso wichtig ist die bessere Anbindung der Gemeinden untereinander, doch beides ist bis auf wenige Ausnahmen nicht vorhanden. Stattdessen gibt es Schotter- und Schlammpisten, riesige Umwege und Radrouten, die auf normalen Straßen geführt werden, was für die Radfahrer*innen enorm gefährlich ist.

5Es sei auch hier noch einmal auf die Aussagen des CSU-Fraktionsvorsitzenden im Kreistag, Björn Jungbauer verwiesen, der erst die Bewirtschaftung der Talavera kritisierte und anschließend im Kreistag die aus seiner Sicht zu hohen Ausgaben für den ÖPNV anmahnte.

6Beispielsweise stimmte die CSU mit einer abstrusen Argumentation („Geld lieber für Klimaschutz ausgeben“) gegen eine Machbarkeitsstudie zum Bau einer Straßenbahnlinie in den Würzburger Norden. Dabei hat der Bau der Straßenbahn zum Heuchelhof in den 80er-Jahren gezeigt, dass erst dann die Leute anfangen, das Auto stehen zu lassen und den ÖPNV zu nutzen, wenn Buslinien durch Straßenbahnen ersetzt werden. Der Bau einer Straßenbahn ist gelebter Klimaschutz.

7Ganz anders argumentierte die CSU (und übrigens auch die SPD), wenn 20 Millionen € für Verbesserungen für den Autoverkehr ausgegeben werden sollen. Dies soll nach dem Willen des Stadtrats beim Greinbergknoten geschehen, der ausgebaut werden soll. Man sieht auch hier, dass der Autoverkehr bei der CSU Priorität Nummer eins ist – mit so einer Haltung kann es mit Klimaschutz nichts werden.

Verwandte Beiträge